„Wir sind ja so korrekt“
– eine völlig unkorrekte Provokation zur geschlechterneutralen Sprache
Bild: Hermann Büsing
Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder, – oder Mitglieder*Innen? Moment mal- ist Mitglied überhaupt geschlechtlich zuzuordnen? Zusammengesetzt aus „mit“ und „Glied“. Adverb „mit“ und Substantiv „Glied“, das. Also wohl weder weiblich noch männlich – aber was ist mit den Diversen? Die werden mit dem * eingeschlossen.
In der Tat- und das ist nicht ironisch gemeint – bin ich tolerant und achte alle Menschen unabhängig davon, ob sie divers, männlich oder weiblich sind. Und Sprache kann viel bewirken und wir sollten sorgfältig damit umgehen, viele Diskriminierungen haben ihren Ursprung im sprachlichen Alltagsgebrauch. Aber manche wollen sich vor Korrektheit fast überschlagen und Sprache wird manchmal unaussprechlich.
Ich finde es schade, dass es keine Studenten mehr zu geben scheint, nur noch Studierende. Dabei sind Studierende Studierende, wenn sie studieren. Wenn der Student abends in der Kneipe ein Bier trinkt, ist er kein Studierender, sondern gehört zu den Trinkenden und ist Student. In der Schule gibt es Lehrkräfte und Lernende. Aber sind Schülerinnen und Schüler auf dem Pausenhof denn wirklich Lernende? Oder nur spielende Schülerinnen und Schüler? Korrekt natürlich Schüler*Innen.
Leicht ist es nicht. In der Tat war es schon komisch, immer wieder Examensarbeiten von Studentinnen oder Studenten zu lesen, in denen nur von Lehrern an Grundschulen gesprochen wurde, obwohl dort meist nur Lehrerinnen unterrichten. Kaum jemand kam auf die Idee, nur die weibliche Form zu nutzen und die männliche damit einzubeziehen. Da ist das Wort „Lehrkraft“ hilfreich und korrekt. Aber „Lernender“, Studierender“?
Und was ist mit „Kiwanier“ und „Kiwanierin“? Korrekt „Kiwanier*In“? Oder „Kiwanisfreund*In“?
Die Schweizer sprechen nur von Kiwanern. Sie meinen damit alle, egal ob divers, männlich oder weiblich. Manche versuchen es in Deutschland mit dem geschlechtsneutralen „Kiwanis“. „Liebe Kiwanis“. Fühlt ihr euch damit richtig angesprochen? Ich gebe zu- damit fremdle ich, obwohl es praktisch wäre.
Und was ist mit den Menschen, die transgender sind? Sie sind im Körper einer Frau oder eines Mannes und fühlen sich dem anderen Geschlecht zugehörig. Sie sind nicht, wie diverse Menschen, mit Geschlechtsorganen ausgestattet, die eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Frau auch Vater sein kann: Ein Mann hatte vor seiner Geschlechtsumwandlung Spermien einfrieren lassen. Später wurde ihre Frau damit befruchtet, jetzt wollte sie wie die Mutter ebenfalls Mutter sein. Ist sie aber nach höchstrichterlichem Urteil nicht, sie ist Vater des Kindes.
Seit der Weimarer Verfassung von 1919 waren Bürger nicht mehr nur Männer, die Berger oder Beschützer einer Stadt, sondern alle Frauen waren selbstverständlich ebenfalls Bürger. Nach Jahrzehnten der Verwendung des Wortes Bürger als sächlich führt der Duden jetzt neben dem Bürger die Bürgerin auf. Frauen sind jetzt also keine Bürger mehr. Ich hoffe doch, es bleiben Menschen und werden nicht eines Tages Menschinnen. bzw. Mensch*Innen.
Wenn wir fortschrittlich sind, sind wir immer auf der Seite des Guten und Korrekten. Führt die gendergerechte Sprache dann automatisch zur Gleichberechtigung? Sollten wir eine geschlechtsneutrale Sprache anstreben, um Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen?
Beispiel Türkei: Dort gibt es in der Sprache keine Geschlechter. Hat das zur Gleichstellung der Geschlechter geführt?
Früher bildete der Duden ab, was gesprochen wurde und das war dann gültig. Heute entscheidet der Rat für deutsche Rechtschreibung über die Regeln. Und der Duden als einziger Wörterbuchverlag Deutschlands geht forsch voran und schafft neue Wörter: z.B. die Gästin oder die Bösewichtin. Sind im Gästeverzeichnis dann zukünftig nur die Männer aufgeführt? Ich denke, vieles wird sich kaum durchsetzen.
Gilt das Mieterschutzgesetz nur für Mieter oder auch für Mieterinnen? Und wenn nach einem Unfall gefragt wird, ob ein Arzt zugegen ist, sollen sich Ärztinnen dann zurückhalten? Sind Patientenverfügungen nur gültig, wenn sie von Männern unterzeichnet sind?
Liebe Kiwanis, liebe Kiwanisfreundin und -freund, liebe Kiwanisfreund*in, schreibt doch bitte Leserbriefe, wie hättet ihr es gerne und wie denkt ihr darüber?